Spirituelles Erwachen
oder
Wie ich zum heidnischen Glauben fand
Aufgewachsen bin ich in einer erzkatholischen Gegend mit einer gesellschaftlich erzwungenen christlich-katholisch geprägten Erziehung. Vom katholischen Kindergarten ging es nahtlos weiter in die katholische Grundschule, stets begleitet und behütet vom „lieben Gott“. In der dritten Klasse der Grundschule kam dann natürlich die obligatorische Erstkommunion mit begleitendem Unterricht durch den örtlichen Pfarrer. Heute bezeichne ich diese Zeit als traditionelles Brainwashing der Kirche, um den Strom der Kirchensteuerzahler nicht abreißen zu lassen.
Erst mit Anfang 20 wurde mir bewusst, dass ich keinem Propheten aus dem Vorderen Orient folgen kann, von dem mir seit frühester Kindheit an erzählt wurde und der an jeder Straßenecke als halbnackter Leichnam leidend vom Kreuz herabblickt. Mir wurde aber auch bewusst, dass ich ein spiritueller Mensch bin, der an etwas glaubt, was nicht greifbar ist. So wurde ich zum Suchenden. Ich begann, mich für Religionen und Okkultes zu interessieren, besorgte mir Bücher, die man nicht unbedingt in den Auslagen der Buchhandlungen findet und steckte meine Nase in so ziemlich alles hinein, was den Anschein des Übernatürlichen erweckte. Religionen wie Buddhismus, Hinduismus, Islam oder gar der Satanismus nach LaVey waren zwar teilweise interessant, aber ich spürte früher oder später, dass ich dort nicht „zu Hause“ war.
Schließlich traten unsere Urahnen und Altvorderen in mein Leben und plötzlich fühlte es sich an, als kämen die losen Fäden, die seit Jahren wie lange Fransen an mir hingen, zusammen. Geschichte und Religion fügten sich wie ein Puzzle zusammen und ergaben ein inneres Bild. Zu diesem Zeitpunkt war ich etwa 27 oder 28 Jahre alt und entdeckte das Neuheidentum. Recht wahllos kaufte ich Bücher, las mich in das Thema ein und wurde Mitglied in entsprechenden Internet-Foren. Ich fühlte zwar, dass ich etwas gefunden hatte, das zu mir passt, dennoch wandelte ich an der Oberfläche eines Glaubens, ohne tiefer eintauchen zu können. Ich sprach zu den Göttern, bekam aber keine Antwort, keine Zeichen.
Diese Zeichen bekam ich erst viele Jahre später. Ich hatte mich über die Jahre mal mehr, mal weniger mit dem Neuheidentum beschäftigt, zwischenzeitlich sogar wieder losgelassen. Doch dann kam der Umzug in meine alte Heimat (im Laufe der Zeit wohnte ich in Wilhelmshaven, Paderborn und Mannheim) und ich begann, mich intensiver mit Runen, dem Räuchern und den germanischen Göttern zu beschäftigen. Wir bekamen einen Hund, den ich Odin nannte und mit dem ich meistens in einem Naturschutzgebiet zwischen den Wäldern spazieren ging. In diesem Naturschutzgebiet sind auch zwei Raben beheimatet, die uns auf unserem Spaziergang über unseren Köpfen kreisend begleiteten und die ich Hugin und Munin nenne. Als ich dann die ersten Kräuter gesammelt hatte, brauchte ich Federn, um den Rauch verteilen zu können. Woher sollte ich nun also Federn nehmen, fragte ich mich tagelang. Bis ich an einem Tag wieder auf dem Parkplatz in der Nähe des Naturschutzgebietes parkte, um mit dem Hund zu laufen. Der ziemlich nah auf einem Holzpfahl sitzende Rabe fiel mir sofort auf und ich freute mich, dass er nicht gleich wieder wegflog. Ich war noch keine 20 Meter mit meinem Hund gelaufen, als ich vor mir auf dem Weg eine Rabenfeder entdeckte – eine Rabenfeder, um den Rauch verteilen zu können. In den Folgetagen wiederholte sich das Spielchen mehrfach, selbst dann, wenn ich gar nicht im Naturschutzgebiet spazieren ging. Ganz gleich, wo ich mit dem Hund unterwegs war – ich fand Rabenfedern. Letzten Endes waren es um die sechs Federn, die ich fand und die ich auch heute noch besitze. Diese Federn waren für mich das erste Zeichen der Götter, dass sie mich und meinen Glauben angenommen hatten.
Der spirituelle Nebel, der mich jahrzehntelang umgeben hatte und den ich vergeblich zu lichten versucht hatte, löste sich plötzlich langsam auf. Immer mehr Zeichen kamen auf mich zu oder wurden mir bewusst. So spielt zum Beispiel die Zahl Neun eine zentrale Rolle im heidnischen Glauben (neun Welten, Odin hing neun Tage und neun Nächte im heiligen Baum, um die Runen zu lernen). Ich bin an einem 9. 9. um halb neun in einem Krankenhaus gegenüber jenes Berges, auf dem einst die Irminsul stand, geboren. Es gibt einen Baum ganz in der Nähe des Dorfes, in dem ich wohne und zu dem ich eine starke innere Bindung habe. Für Außenstehende mag dieser Baum unscheinbar sein, mir aber ist er heilig. Sehr oft gehe ich zu diesem Baum, am liebsten nachts, berühre und begrüße ihn und spreche mit ihm. Als ich in einer warmen und windstillen Sommernacht bei ihm war, ihm dieses und jenes erzählte und ihn fragte, wie es ihm gehe, ging inmitten der Windstille plötzlich ein Windstoß durch seine Krone und er rauschte, als wollte er mir antworten. In Momenten wie diesen geht mir nicht nur eine Gänsehaut durch und durch, sondern ich spüre, dass ich meinen Glauben gefunden habe.